Dienstag, 31. Oktober 2017

Die Macht des Raumes.

In meiner Schule bekomme ich des öfteren folgende Dinge zu hören: "Du willst zu viel!", "Du bist zu schnell!", "Nicht alles auf einmal!".
Diese Aussagen mögen hier und da ihre Berechtigung haben. Doch genauso oft sind sie verfehlt, denn was Schulentwicklung anbetrifft, können wir meines Erachtens gar nicht groß genug denken. Nein, ich würde sogar weiter gehen und formulieren: wir müssen so groß und breit denken wie nur irgendwie möglich! Warum? Weil Schule eine hochkomplexe Angelegenheit ist und alles irgendwie mit allem zusammenhängt. 
Ich möchte das nachfolgend am Beispiel des Raumes verdeutlichen. Hier sehe ich zwei Wirkungsrichtungen unterschiedlicher Kategorien.

1.  Jede didaktische, methodische oder erzieherische Entscheidung bedingt ihren eigenen Raum.

  • Didaktische Ebene: Wer Frontalunterricht praktizieren möchte, der benötigt notwendiger Weise eine Front, d.h. die Fokussierung auf ein Vorne. So hängt die Tafel oder das Smartboard noch immer in den meisten Schulen ganz vorne, davor befinden sich die Schülertische mit Blick zur Tafel und zum Lehrer. Dieser hält die Fäden in der Hand. Alles konzentriert sich auf ihn.
  • Methodische Ebene: Wer eine Pro-Kontra-Debatte in seinem Unterricht anstrebt, der wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Tische und Stühle so aufstellen, dass sich zwei Parteien gegenübersitzen, um miteinander in den Wettstreit der Argumente treten zu können. 
  • Erzieherische Ebene: Wer es für geboten hält, einen Schüler maßregeln zu müssen, der wird das in jedem Fall auf irgend eine Art und Weise räumlich tun. Bspw. könnte er ihn räumlich exponieren, indem er ihn öffentlich maßregelt. Er könnte ihn aber auch räumlich marginalisieren, indem er den Schüler des Raumes verweist. Oder er könnte ihn räumlich entwerten, indem er seinen eigenen Körper vollends erhebt, während der Schüler in seinem Stuhl körperlich versinkt. Das reale Gefälle zwischen zweier Körpern wäre nichts anderes als ein verräumlichtes Machtgefälle. 
Doch der Umkehrschluss gilt ebenso.

2. Jede räumliche Struktur bedingt ihre eigenen didaktischen, methodischen oder erzieherischen Handlungen.
  • Didaktische Ebene: Ein Klassenraum - wie bspw. der an der Paula-Fürst-Schule (siehe mein Hospitationsbericht) - hat weder ein erkennbares Vorne, noch ein erkennbares Hinten. Es gibt keine zentrale Tafel, sondern mehrere Tafeln, ein Whiteboard, mehrere Pinnwände. Der Raum ist zudem durch Regale, Tische, Schränke, Kommoden und Pulte nischenartig zergliedert. Kurzum, es ist ein Raum, der für Frontalunterricht weitestgehend ungeeignet scheint. Selbst wenn ich als Lehrer Frontalunterricht durchführen wollte, der Raum ließe es nur schwerlich zu. Der Raum determiniert also letztlich meine Handlungsmöglichkeiten.
  • Methodische Ebene: In dem Chemiefachraum meiner Schule sind die Tische fest im Boden verschraubt. Das hat etwas mit den Gasleitungen zu tun, die eine Grundlage zum Experimentieren sind. Auch hier gibt der Raum weitestgehend vor, was geht und was nicht. Methoden wie Fish-Bowl, Gruppenpuzzle oder Kugellager-Gespräch wären nicht durchführbar. Die Entwicklung eines Storyboards oder die Methode des Karteikartenlernens wären hingegen kein Problem.
  • Erzieherische Ebene: Was, wenn der Klassenraum eine verglaste oder keine Tür, wenn er Glaseinsätze hin zu anderen Räumen oder gar offene Verbindungsstücke zu diesen hätte? Wie würde sich das auf das Verhalten von Schülern und Lehrern auswirken? Wäre es möglich, dass Eskalationen durch Maßregelungen aufgrund der erhöhten Transparenz abnehmen würden? Wäre es denkbar, dass sich das Arbeitsklima und damit vielleicht auch die Beziehung aller zueinander verändern täten? Ich halte das für denkbar, wenn nicht sogar für ausgemacht. Das hieße aber, dass auch in diesem Fall der Raum ganz maßgeblich unsere Handlungen bestimmen täte.
Aus dem bis hierher Geschriebenen ergibt sich an uns Pädagogen v.a. folgender Imperativ: 
Wir dürfen den Raum nicht als etwas Gegebenes hinnehmen! 
Im Gegenteil. Wir sind qua unserer Profession geradezu aufgefordert, den Raum als 3. Pädagogen mitzudenken und ihn unseren Zielen entsprechend zu gestalten, d.h. zu verändern (siehe auch Blogeintrag: Der Raum ist die Lösung).
Das bedeutet zugleich auch, dass eine Schule, die sich Raumgestaltung zu einem Schulentwicklungsthema macht, dieses Thema - ähnlich wie es gute Architekten tun - breit und tief angehen muss. Tut sie es nicht, läuft sie Gefahr sich in Formen ohne Funktionen, d.h. im rein Ästhetischen und letztlich pädagogisch Leeren zu verlieren.
Um dem zu entgehen, möchte ich zum obigen Thema folgende Grafik anbieten. Sie ist nicht komplett, im besten Falle aber ein hilfreicher Einstieg, um Raum in Schule neu zu denken.

Denken. Alles auf einmal in seinen Zusammenhängen denken. Es wäre strategisches Denken. 




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Samstag, 14. Oktober 2017

Noten? Bitte frühestens ab 9. Klasse (Teil III).

Ein Klassiker aus dem Lehrerzimmer:

Lehrer 1: "Erst Projekttage, dann Klassenfahrt, nun schon wieder Ferien! Man kommt gar nicht richtig ins Lernen!"
Lehrer 2: "Dabei sind bald die Zwischennoten fällig! Ich habe kaum Noten von meinen Schülern. Wir haben auch noch gar keinen Test schreiben können. Wie auch?! Woher soll ich die Noten nehmen? 
Lehrer 1: "Ja, geht mir auch so. Müssen wir zusehen, dass wir bald einen Test schreiben, vielleicht auch noch Hefter einsammeln und diese zensieren."
Lehrer 2: "Ja, werd ich auch machen. Dann haben wir wenigstens zwei schriftliche Noten, der Rest ist dann mündliche Mitarbeit."

Ein Gespräch dieser Art habe ich schon mehrfach gehört, manchmal sogar selbst geführt. Es zeigt, was das Notensystem mit uns macht.
Nicht nach pädagogischen Prämissen planen wir unseren Unterricht, sondern nach der Notwendigkeit Noten geben zu müssen. Unsere Unterrichtsreihen strukturieren sich dann weniger nach inhaltlichen, motivationalen, bedürfnisorientierten, zeitlich sinnvollen, dramaturgischen, kreativitätsfördernden Kriterien, sondern v.a. nach einem Kriterium: Notenschluss, d.h. nach der Zeit. Ein Datum gibt uns den Rhythmus vor. 20.11.2017 - Eintrag der Zwischennoten. 23.11. - Elternsprechtag (Noten als Grundlage der Gespräche).  04.01.2018 - Eintrag der Noten in die Schul-PCs. 11.01.2018 - Zeugniskonferenzen. 
Da wir gesetzlich bis hin zum Halbjahreszeugnis der 9. Klasse keine Noten geben müssen, sprich, als Schule andere Bewertungs- und Feedbacksysteme entwickeln können, bedeutet diese Ausrichtung an einem Datum letztlich v.a. eins: Es ist eine Bankrotterklärung und ein Totalversagen von uns LehrerInnen als PädagogInnen

Den Druck des Datums, den Druck des von den Noten generierten Rhythmus´ geben wir knallhart an die uns anvertrauten SchülerInnen weiter. Der Stoff wird nun im Akkord, statt nach den Bedürfnissen, den Fähigkeiten und den Kompetenzen unserer SchülerInnen durchgenommen. Ein Verweilen, eine Ex-Kursion, ein Entschleunigen, ein Abweichen vom geplanten Weg, ein dem Schüler-Folgen, ein vertiefendes Beleuchten, ein buntes Entblättern, ein müßiges Suchen - all das ist auf dem Weg zum nächsten Test nicht vorgesehen. Es stört. Wie auch das Langsame, das Fragende, das Verträumte, das Lachende eher störend ist. FokussiertSein und Tempo sind die Tugenden. Lust am Lernen - und am Lehren(!) - hat keine Priorität. Die Ausrichtung an der Sach-/ Leistungsnorm dominiert, für eine individuelle Ausrichtung fehlt die Zeit (siehe hierzu mein Blogeintrag "Noten bitte frühestens ab 9. Klasse (Teil I)").

In diesem System des (Noten)Drucks gibt es SchülerInnen, die das Tempo nicht halten können. Ihre Zahl ist hoch. 

Ein Achtklässler aus meiner Schule zeigt in diesem Kontext unterdurchschnittliche Leistungen. Sein Arbeitstempo hält nicht Schritt, er wirkt oft müde, unkonzentriert, mit Mühe nur erschließen sich ihm einfachste Zusammenhänge, oftmals kann er dem Unterrichtsgeschehen nicht folgen, Arbeitsaufträge werden von ihm nur stark verzögert in Angriff genommen. Schulische Erfolge - Fehlanzeige. Er wirkt oftmals "unaufgeräumt", vielleicht muss man sogar sagen - traurig.
Wir diskutieren diesen Schüler im Team. Schließlich wird der Ruf laut, ihn auf eine LernBEHINDERUNG hin testen zu lassen. Man muss sich das vor Augen führen, sich diesen Wahnsinn bis ins letzte Detail ausmalen. Die Statusüberprüfung als pädagogische Lösung! Für mich persönlich das zweite Totalversagen von uns PädagogInnen. Warum?

Fragen wir einmal - was würde sich durch eine Statuszuerkennung für den entsprechenden Schüler verändern? Folgendes ist denkbar. 
  • 1. Der Schüler selbst erlebt den Status als Stigmatisierung. 2. Er entwickelt ein negatives Selbstbildnis. 3. Seine Lernmotivation sinkt, seine Lernleistung ebenso. 4. Erst nehmen Unterrichtsstörungen durch ihn zu, schließlich wendet er sich von der Schule und sie von ihm ab. 
  • Der Status ermöglicht es den LehrerInnen den entsprechenden Schüler milder zu bewerten sowie ihm leichtere Aufgaben und weniger umfangreiche Materialien zu geben. Der Lehrer wird derart psychisch entlastet. Er darf nun ganz legitim mit zweierlei Maß messen. Zweierlei Maß. Mal zum Vergleich: Individualisierter Unterricht ohne Noten mäße mit mit 24-/ 28-/ 32-leier Maß. Nun gut, hier also zweierlei Maß. Was hat der Schüler davon? Er nimmt folgendes wahr: es gibt normale(!) Noten und Sternchen-Noten. Letztere bekommt er. Er mag sie nicht so recht vor anderen zeigen. Stolz auf seine Leistung und die Note will sich auch nicht einstellen. Der Grund: Die Noten sind Noten des Makels, optisch stigmatisiert durch einen Stern. Und das Material? Hätten die LehrerInnen nicht auch ohne Statusüberprüfung diese Möglichkeit gehabt? Sie hätten. Und hätten sie diese Möglichkeit für all ihre SchülerInnen genutzt, so wäre differenziertes Material für diesen Schüler auch überhaupt kein Problem gewesen. Doch jetzt, jetzt ist dieses Extraarbeitsblatt ein weiteres Zeichen seines Makels. Es ex-trahiert ihn förmlich von den anderen. Mit welcher Freude soll dieser Schüler noch lernen können? Welchen Stolz ist er unter diesen Umständen fähig zu entwickeln? Und welches Bild von sich selbst wird er erlangen?
  •  Vor der Statusüberprüfung ist es notwenig, die Eltern ins Boot zu holen. "Wir würden gerne ihren Sohn/ ihre Tochter überprüfen, also testen lassen." Subtext: "Irgendetwas stimmt mit ihrem Sohn/ ihrer Tochter nicht. Er/sie ist nicht ganz normal. Er/sie hat ein zu Viel (viel zu langsam, viel zu unkonzentriert, ...) und ein zu Wenig (zu geringe Kenntnisse, zu geringes logisches Denkvermögen, gering ausgeprägtes Sprachverständnis, ...), ist Drüber (zu laut, zu hibbelig, ...) und Drunter (unterdurchschnittlich, unter der Norm). Wie geht es diesen Eltern? Was verändert es in ihrer womöglich bisher unerschütterten Beziehung zu ihrem Kind? Und was macht dies mit dem Kind?  
Halten wir fest. Unterricht der sich nach Tests und Noten richtet, richtet sich vor allem nach der Sachnorm. Er erhöht den (Leistungs)druck auf das gesamte System. SchülerInnen die diesem Druck nicht gewachsen sind, werden als inadäquat und störend wahrgenommen. Anstatt sich zu fragen, was diese Kinder im einzelnen benötigen, um Lernerfolg zu haben, werden die Schwächsten von ihnen auf Status Lernen hin getestet. Bekommt eins dieser Kinder einen Status zuerkannt, so birgt dies für das Kind sowie sein Umfeld erhebliche Risiken. Vor allem das Selbstbild des Kindes ist in Gefahr ins Negative abzudriften. Die Konsequenzen für seine Entwicklung eher negativ. 

Interessanter Weise ergibt sich folgender paradoxer Teufelskreis: Der Druck durch Noten führt dazu, dass Schule ihre schwächsten SchülerInnen - um ihnen zu helfen - via Statusüberprüfung regelrecht PATHOLOGISIERT. Diese Pathologisierung birgt das Risiko, eben jene SchülerInnen seelisch erkranken zu lassen (siehe hierzu auch mein Blogeintrag "Noten bitte frühestens ab 9. Klasse (Teil II)").



Donnerstag, 5. Oktober 2017

Der Krüppel.

Was haben Aristoteles, Luther und Darwin gemeinsam? 
Antwort: Sie alle sehen im behinderten Menschen ein Wesen, dass es zu bekämpfen gilt (auszusetzen/ zu ersäufen, zu verbrennen/ wegzusperren).  

Da wundert es kaum, dass bis in die heutige Zeit behinderte Menschen mit Argwohn betrachtet und als Störung empfunden werden. Zu tief sitzen die tradierten und über die Jahrhunderte gepflegten Vorbehalte. Behinderte wurden und werden kulturübergreifend auf mannigfaltigste Art und Weise instrumentalisiert. Indem man sie als Gefahr oder Kuriosum brandmarkt(e), dien(t)en sie der Gesellschaften zur:
  • Beruhigung
  • Normierung 
  • Unterhaltung
  • Statussicherung
  • Identitätsbildung
  • Leistungssteigerung
  • Unterwerfung Anderer, vornehmlich der Frau
  • sowie als Erklärungsmuster.

Mit Hilfe des sehr quellenreichen, informativen, zugleich aber auch sehr redundant gehaltenen Buches "Der Krüppel", von Klaus E. Müller, lässt sich die Instrumentalisierung des behinderten Mensch auszugsweise (und sicherlich nicht frei von Fehlern) wie folgt skizzieren:


Hierbei lässt sich ein Dreigestirn der Unterdrückung des Behinderten herauslesen: GLAUBE, MACHT und FORTPFLANZUNG gehen in einem Spiel mit der Angst als treibende Kräfte Hand in Hand.
Dem Glauben (auch von Naturvölkern, siehe K.E.Müller) kommt die Funktion der Wertung zu. Er macht den Behinderten aufgrund seiner Andersartigkeit zum Schuld-beladenen Sündenfall und disqualifiziert ihn derart auf moralische Art und Weise. 
Die Macht bedient sich dieser Wertung. Sie setzt zudem auf Stigmatisierung (im Einklang mit der erfolgten moralischen Disqualifizierung), um Behinderte auszugrenzen, sprich zu ex-kludieren. Die praktisch vollzogene Stigmatisierung jedweder Art und Weise dient so v.a. dazu, den Versehrten ex-klusiv werden zu lassen. Diese Ex-klusivität wird gesteigert, indem sich die Macht dem Gegenstück zum Fremden zuwendet - dem WIR. Man könnte von einer negativen Identitätsbildung sprechen: indem das Fremde/ der Behinderte als Gefahr überhöht und detailreich skizziert wird, erscheint schemenhaft das eigene (Volks-) Ich. Dieses wird heroisiert, ent-makelt, zur Norm erhoben.
Von der Norm, der Schuld und dem Sündenfall Behinderung ausgehend entwickelt jede Gesellschaft ihre Regeln und Rituale, um ihre Fortpflanzung zu organisieren.  Fortpflanzung ist keine(!) Freizone von Mann und Frau. Das wird in dem Buch von MÜLLER überdeutlich. Im Gegenteil, es scheint fast nichts so stark reglementiert, wie die Art und Weise in der die Menschen einer Gesellschaft ihr Fort-Bestehen sichern. Ein wirksames Mittel hierzu ist das Aufstellen von Tabus. Das Interessante hierbei, diese Tabus sollen die Gesellschaft davor schützen, behindertes, also widerwärtiges - weil sündiges  -  sowie un-Norm-ales Leben in die Welt zu setzen. Um dies zu erreichen wird um die Frau herum ein regelrechtes Regel- und Ritualmonstrum geschaffen (Schwangerschafts-, Menstruations-, Verhaltens-, Aufenthalts-, Ernährungs-, Betätigungs-, etc.-Regeln). Das Spiel mit der Angst vor dem behinderten Kinde dient letztlich der Unterdrückung der Frau, eine besonders widerwärtige Instrumentalisierung des behinderten Menschen - wie ich finde.

Halten wir fest. Der Behinderte wird seit Jahrhunderten auf mannigfaltigste Art und Weise instrumentalisiert. Derart missbraucht und dabei an den äußersten Rand der Gesellschaft getrieben, dient er als bloßes Mittel zum Zweck.  


Was lässt sich für unser Thema - Inklusion - festhalten?


Nun, zu aller erst denke ich, dass Inklusion jedweder Instrumentalisierung zuwiderlaufen sollte, indem sie die Würde des Behinderten – d.h. ihn in seinem Menschsein, d.h. in seiner Bedürftigkeit – ins Zentrum all ihrer Überlegungen stellt. 

Konkret ergeben sich folgende Forderungen an unser Schulsystem:
  1. Ein Schulsystem das LEISTUNGsNORMEN in den Mittelpunkt seiner pädagogischen Überlegungen stellt, lässt den Behinderten zur Störung werden (bspw. Gymnasien als NonPlusUltra). Eine inklusive Schule setzt demgegenüber ihren Schwerpunkt auf die individuelle Entwicklung jedes einzelnen. Diese wird geWERTschätzt.
  2. Die Ausrichtung des Einzelnen an NORMEN ist zugleich die Ausrichtung an Idealen. Sie ist derart stets auch Ausdruck der Angst vor Individualität. Eine inklusive Schule schafft folgerichtig vielfältigsten und gesicherten Raum zur Entwicklung von Individualität.
  3. MACHT (im klassischen Sinne) zeigt sich u.a. in Paarungen wie Stigmatisierung&Gunst, Unterdrückung&Hofierung, Ämterverwehrung&Ämterzugang, Ent-Stellungen&Anstellungen, Peripheriezuweisung&Zentrierung. Eine inklusive Schule löst diese Paarungen in Richtung Wertschätzung, Gleichberechtigung, Selbstbestimmung, Partizipation - und zwar im Herzen der jeweiligen Gemeinschaft (am Puls des jeweiligen Geschehens) - auf.
  4. Die INSTRUMENTalisierung behinderter Menschen zielt u.a., wenn nicht gar vordergründig, auf die Unterwerfung der FRAU. Sie ist Zeichen eines maskulinen, patriarchalischen Machttypus. Eine inklusive Schule stärkt in besonderem Maße die Position der Frauen und Mädchen.
Ich habe in meiner Fortbildungszeit über das Buch "Der Krüppel" eine Literaturpräsentation gehalten (siehe HIER). Am Ende kam die Frage auf, ob ich glaube, dass auch heute noch der Behinderte instrumentalisiert wird, um die Frau zu unterdrücken. Damals fand ich nicht die richtigen Worte. Heute würde ich antworten, dass dem meiner Meinung nach nicht mehr so ist. Eher ist die Situation schlimmer geworden. Mit Michelle FOUCAULT - dessen Analysen und daraus resultierenden Ideen ich sehr überzeugend finde - würde ich antworten, dass sich der Machttypus verändert hat. Vom destruktiven, personalisierbaren (König und Schwert) hin zum produktiven, dezentralen Machttypus (Wissen ist Macht). In der Konsequenz hieße das, dass der Fokus der Unterwerfung (denn letztlich unterwirft auch der neue Machttypus, wenngleich subtiler und raffinierter) nicht mehr einzig auf der Frau liegt, sondern sich auf uns alle erweitert hat. 
Ich werde diesen Gedanken in einem weiteren Beitrag präzisieren. 

An dieser Stelle möchte ich mit folgendem Gedanken enden:

Wenn Inklusionsbefürworter ihre Haltung belegen wollen, so bedienen sie sich nicht selten folgender Argumentation. "Behinderte SchülerInnen tun dem Lernklima einer Klasse gut und beeinflussen die Lernleistung aller positiv“
Worauf weist diese Argumentation, wenn nicht darauf, dass sie ganz im Sinne der zu beendenden Tradition steht? Auch hier wird der Behinderte nicht seiner selbst willen gesehen. Vielmehr wird seine Instrumentalisierung bejaht, da sie Disziplin und Leistung(ssteigerung) hilft sicherzustellen. 

Auf die Frage „Warum Inklusion?“ wäre meines Erachtens die beste aller Antworten: Weil der Behinderte ein Mensch ist und als solcher zurück ins Zentrum der Gemeinschaft gehört.